Versäume deine Frühlinge nicht!
von Marta
Es ist Abend, fast schon dunkel und ich gehe nach einem langen Tag im Homeoffice noch mit meinem Hund spazieren. Erst jetzt fällt mir auf, dass ich abgesehen von einem kleinen Dank bei der Kassiererin, bei der ich noch schnell Kopierpapier kaufte, den ganzen Tag noch kein Wort gesagt habe. Alleine hatte ich auf meinen Laptop konzentriert vor mich hin gearbeitet. Mein Herz wurde mir vor lauter Sorgen, die mich begleiten, immer wieder unerträglich schwer. Jetzt ist es Abend, der Tag ist fast vorbei, das Dorf ist still. Ich liebe es, zu dieser Zeit spazieren zu gehen. Spontan rufe ich eine Freundin an – warum ist mir das nicht früher eingefallen? Im Gespräch mit ihr, im Teilen meiner Sorgen wird mein Herz so viel leichter. Die Straßenlaternen leuchten, überall blühen Apfelbäume, Kirschbäume, Flieder und Magnolien.
„Seht die Bäume an, und lernt daran ein Gleichnis“
S.26
steht im Lukas 21,29. Die Bäume sind im Frühling am schönsten, sie laden zum Staunen ein. „Niemand weiß, wie viele Frühlinge er noch erleben wird, aber keinen davon sollte er versäumen.“ – schreibt Martin Schleske im zweiten Kapitel seines Buches. Ich schaue mir die Bäume ganz genau an. Ich staune. Ich bin bereit zu lernen. Und was ich heute ganz praktisch gelernt habe, ist der tröstende Gedanke: keiner muss sich selbst alles sein.
So wie in den Leitungsbahnen des Holzes das Wasser aus den Wurzeln zu den Blätter aufsteigt, und wie der Zuckersaft in der außen liegenden Bastschicht von oben zu den Wurzeln hinabsteigt – genau so müssen wir lernen Gebende und Nehmende zu sein, in unserer Unterschiedlichkeit füreinander da zu sein. Das ist das Geheimnis und die Schönheit einer Gemeinschaft. Die Blätter brauchen die Wurzeln, die Wurzeln brauchen die Blätter.
Heutzutage ist es sehr modern, sich um seine eigene Selbstverwirklichung zu bemühen. Aber was wir wirklich brauchen, ist eine gebende und nehmende Gemeinschaft und ich bin dankbar, so ein Miteinander in der Gemeinde zu finden. Nur ein Glaube, der bereit ist, aus sich herauszugehen, wird Leben finden. Am Ende des Tages brauche ich nichts mehr als Leben, Gemeinschaft und Frieden.
Über die Autoren
Susanne ist die geborene Lehrerin. Wenn sie nicht gerade junge Menschen begeistert, ist sie oft in ihrem Lieblingsland Frankreich zu finden.
Marta liebt Bücher – besonders die Klassiker der Literatur und ihre Weisheit. Wenn sie nicht gerade selbst welche schreibt, arbeitet sie im Steuerfachbereich und entdeckt im Alltag wunderschöne Momente, die sie auf Instagram teilt.
Christoph ist Mediengestalter, Gemeindegründer, Sinnsucher, Entdecker und liebt seine Gemeinde in Deggendorf. Im Buchclub genießt er die Einfachheit und Tiefe der gemeinsamen Diskussion.